„… fliegen alle Schwalben furt“

Das Fest Mariä Geburt als Zugang zur Gottesmutter Maria

„Mariä Geburt fliegen alle Schwalben furt“ weiß sicher noch der eine oder die andere über das Fest zu sagen, das im September gefeiert wird. Und in der Tat – in der ersten Septemberhälfte sammeln sich die Schwalben und ziehen in großen Schwärmen gen Süden. Unsere Vorfahren, die beobachtet hatten, dass die Schwalben um Mariä Verkündigung (25. März) kommen und um Mariä Geburt (8. September) wieder zurückfliegen, haben die Schwalbe zum Symboltier Mariens gemacht. Die Schwalbe gilt deshalb als Marien- oder Muttergottesvogel.

Die Geburt der Maria (Fest Maria Geburt am 8. September), Tochter der hochbetagten Anna und des Joachim, die bis dahin kinderlos geblieben waren, wird durch einen Engel angekündigt. Sehr jung, wohl im Alter von 16/17 Jahren, wird sie mit Joseph, einem Witwer, verlobt. Noch vor der Hochzeit wird Maria [Marjam, Mirjam; aus dem ägypt. myr (= Geliebte) und dem hebr. jam (= Abkürzung für Jahwe), so dass sich „Geliebte Gottes“ oder „Vielgeliebte Gottes“ ergibt] schwanger. Joseph, der sich unauffällig von ihr trennen will, wird durch eine Engelserscheinung im Traum zum Bleiben bewegt. Auf dem Weg zur Volkszählung in Betlehem gebiert Maria Jesus. Die „heilige Familie“ flüchtet auf Weisung des Engels nach Ägypten, von wo sie nach Nazareth zieht. Mit Joseph taucht Maria noch einmal auf, als sie den zwölfjährigen Jesus im Tempel zu Jerusalem suchen. Für 18 weitere Jahren schweigen die biblischen Quellen. Während des öffentlichen Wirkens bleibt Maria im Hintergrund. Tod und Beisetzung Jesu erlebt sie jedoch unmittelbar mit, ebenso das Pfingstereignis. Von Maria heißt es, sie sei gestorben und leiblich in den Himmel aufgenommen worden (Maria Himmelfahrt).

Das Fest Mariä Geburt – früher auch Kleiner Frauentag genannt – ist aus dem Weihefest der Kirche der Gottesmutter, „wo sie geboren ist“, Ende des 5. Jahrhunderts entstanden. Heute ist diese Kirche der Mutter Marias, der heiligen Anna, geweiht. Bereits im 7. Jahrhundert feierte man Mariä Geburt schon im Osten und im Westen der Kirche.

Während ansonsten die Todestage bei den heiligen Blutzeugen und Bekennern zu Gedächtnistagen wurden, sind neben Christus nur seine Mutter Maria und Johannes der Täufer durch ein Geburtsfest im kirchlichen Festkalender gewürdigt. Dies geschah wegen ihrer besonderen heilsgeschichtlichen Rolle. Vom Fest Mariä Geburt aus – natürlich genau neun Monate zuvor – entwickelte sich parallel das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria am 8. Dezember – im Osten seit dem 10./12. Jahrhundert gefeiert, im Westen durch die Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis 1854 verstärkt. So bildet die Biographie Mariens von ihrer Zeugung über ihre Geburt, Empfängnis Jesu (= Verkündigung des Herrn), Besuch bei der mit Johannes dem Täufer schwangeren Elisabeth (= Mariä Heimsuchung), ihr Leid am Sterben Jesu Christi (= Gedächtnis der Schmerzen Mariens) bis nach ihrem Tod (= Mariä Aufnahme in den Himmel) und ihrer mystischen Krönung im Jenseits (= Gedenktag Mariä Königin) ein Netz von Festen, das durch ein Namensfest (12. September) und weitere Marienfeste (Unsere Liebe Frau in Lourdes; Unbeflecktes Herz Mariä; U.L.F. auf dem Berge Karmel; U.L.F. vom Rosenkranz; U.L.F. von Jerusalem) zu einem in das Herrenjahr integrierten Marienjahr wird.

Im volksfrommen Brauchtum von West-, Ost- und Norddeutschland spielt Mariä Geburt kaum noch eine Rolle, wohl aber in den Alpengegenden. In einigen Gemeinden Oberbayerns und vor allem in Südtirol finden Prozessionen statt. Besonders eindrucksvoll ist die Prozession in Oberlama (Südtirol), die Heiligenfiguren durch den blumengeschmückten Ort trägt und Fahnenschwenken vorführt. Der 8. September gilt darüber hinaus als wichtiger Termin für den Almabtrieb und für Viehmärkte.

Die Besonderheit der Gottesmutter Maria spricht das „Ave Maria“ aus, wenn es formuliert: Gegrüßet seist du, Maria. Du bist voll der Gnade. Voller Gnade ist Maria nicht physisch nur in der Zeit ihrer Schwangerschaft und als Gottesgebärerin, sondern – nach dem Glauben der Kirche – als von der Erbschuld Befreite, als erste Christin, mit der ein neuer Abschnitt zwischen Gott und den Menschen beginnt. Wie der Morgenstern ist sie ein Hoffnungszeichen und Orientierungspunkt. Neben dem Ehrentitel „Morgenstern“ gibt es zahlreiche weitere wie z. B. Rosa Mystica (Geheimnisvolle Rose), Janua Coeli (Pforte des Himmels), Foederis Arca (Arche des Bundes), Stella Maris (Meerstern/Stern des Meeres) ...

Der Kreis der Marienfeste will aufzeigen: Maria ist der erste Mensch, der Gott vorbehaltlos angenommen hat und die durch ihr Leben dem Himmel entgegen reifte. Sie ist deshalb Urbild der Kirche und Beginn der durch Christus erneuerten Schöpfung. Auf diese Menschen hin, die durch Gnade Gottes geprägt sind, schreibt Paulus im Epheserbrief: „Zieht den neuen Menschen an, der nach Gottes Urbild geschaffen ist.“ Maria ist in diesem Sinne Urbild und Vorbild, Patronin und Mutter aller Christen.

Maria, Marienkäfer und Schwalben

Marienkäfer galten unseren Vorfahren als Boten aus dem Jenseits, als Seelentier. Marienkäfer zu töten war tabu. Vielleicht wusste man schon, dass Marienkäfer Blattläuse fressen; aber Schutz genossen sie, weil vermeintlich die Gottesmutter Maria jedem Frevler neun Tage zürnte, falls er nicht direkt mit dem Tod und der Verdammnis bestraft wurde. Andere hinderte dies nicht, den Glücksbringer zu zerquetschen, um ihn gegen Zahnweh, Keuchhusten oder als Aphrodisiakum zu verspeisen.

Bauernweisheiten zu Mariä Geburt

Wenn Maria, die Jungfrau, geboren ist,
so säe dein Korn, s’ist die rechte Frist.

Mariä gebor’n – Bauer sä Weiz’n und Korn!

Kommen die Raupen zu Mariä Geburt in den Kohl,
so sterben sie gleich nachher wie toll.

Wird Marien Geburt gesät,
ist’s nicht zu früh und nicht zu spät.

Wie sich’s Wetter an Mariä Geburt verhält,
ist’s noch weitere vier Wochen bestellt.

Um Mariä Geburt fliegen die Schwalben furt,
bleiben sie noch da, ist der Winter noch nicht nah.

Mitten in den Schrecken und Grausamkeiten des Dreißigjährigen Krieges hat Johann Khuen 1638 ein bis heute berührendes Marienlied geschrieben:

Sagt an, wer ist doch diese, die auf am Himmel geht,
die überm Paradiese als Morgenröte steht?
Sie kommt hervor von ferne;
es schmückt sie Mond und Sterne,
die Braut von Nazareth.

Sie ist die reinste Rose, ganz schön und auserwählt,
die Magd, die makellose, der sich der Herr vermählt.
O eilet, sie zu schauen, die schönste aller Frauen,
die Freude aller Welt.

Sie ist der Himmelsheere, der Engel Königin,
der Heilgen Lust und Ehre, der Menschen Trösterin,
die Zuflucht aller Sünder, die Hilfe ihrer Kinder,
die beste Mittlerin.