„Es begleitete ihn auf dem Weg das Volk in großen Scharen“

Fronleichnam, das Fest der Eucharistie in Kirche und Brauchtum

Das Fronleichnamfest am Donnerstag nach dem Dreialtigkeitsfest feiert die Eucharistie als Opfer, Kommunion (Opferspeise) und – wegen der Realpräsenz Christi im Tabernakel – als Gegenstand der Anbetung. Es ist ein Erinnerungsfest an die Einsetzung des Altarsakramentes, das eigentlich Gründonnerstag gefeiert werden müsste, aber der Passionswoche wegen als unangebracht empfunden wurde. Es wurde deshalb – in einer Zeit, als der Osterfestkreis mit Pfingsten 50 Tage nach Ostern schloss – an das Ende der österlichen Zeit gelegt. Die Anregung zu diesem Fest entstammt einer Vision der heiligen Augustinernonne Juliana von Lüttich (+ 5.4.1258) und wurde im Bistum Lüttich 1246 eingeführt. Am 11. August 1264 wurde Fronleichnam durch Papst Urban IV. (1261–1264), zuvor Erzdiakon in Lüttich, als „Fest des Leibes Christi“ (lat. festum corporis Christi, festum corpus domini) – im Deutschen mit dem Wort „vronlichnam“, „Herrenleib“ wiedergegeben – mit der Enzyklika „Transiturus de hoc mundo“ zum allgemeinen kirchlichen Fest erhoben. Thomas von Aquin war an dieser Enzyklika wesentlich beteiligt und hat die Texte für das Offizium und die Messe zusammengestellt. Von ihm stammt auch die berühmte Sequenz „Lauda, Sion, Salvatorem“, die im Fronleichnamsgottesdienst früher niemals fehlte. Die Dominikaner haben die Ausbreitung dieses Festes stark gefördert. 1311, unter Papst Clemens V. (1305–1314), wurde das Fronleichnamsfest auf dem Konzil von Vienne bestätigt und 1317 unter Papst Johannes XXII. (1316–1334) endgültig weltweit angeordnet. 1264 fanden in Rom, Münster und Orvieto die ersten Fronleichnamsfeien statt, 1273 in Benediktbeuron, 1274 in Köln, 1276 in Osnabrück.

Den besonderen Charakter erhielt Fronleichnam durch die Prozession, die schon 1279 durch Köln zog. Gerade die Fronleichnamsprozession versinnbildlicht gelebtes Christentum: Zum Ende des Osterfestkreises symbolisiert sie den christlichen Lebensvollzug, das gläubige „Wallen“, das Ziehen durch die Zeit, dem ewigen Vater entgegen. Es ist die Heimkehr der Kinder Gottes in das Himmlische Jerusalem. Diesen Gedanken nimmt der Introitus des 2. Sonntags nach Ostern ebenso auf („Der Herr ward mein Beschützer; er führte mich hinaus in die Weite“) wie das Tagesevangelium, in dem es heißt: „Es begleitete ihn auf dem Weg das Volk in großen Scharen“ (Lk 14,25ff.). In Gestalt der geweihten Hostie wird Christus selbst durch Stadt, Flur und Wald geführt. Der realpräsente Gott wird sichtbar, er verlässt das „fanum“ (lat. Tempel, Allerheiligste) und durchzieht das „profanum“ (das dem Allerheilgsten Vorgelagerte). Zu diesem Zweck entstand die Monstranz, ein Ostensorium mit Lunula – ein halbmondförmiges Schiffchen, in das die Hostie eingesteckt wird -, sondern auch der Baldachin, der „Tragehimmel“, ursprünglich ein Herrschaftszeichen der Monarchen, wurde für kultische Zwecke übernommen. Wie zu Weihnachten, der Passion und Ostern entstanden Fronleichnamsspiele. Weil aber auf keine spezifische Tradition zurückgegriffen werden konnte, entwickelten sich überall divergierende Spiele entweder nach biblischen Stoffen, Sagen, Legenden usw. In Düsseldorf gingen die Spiele im 19. Jahrhudnert in ein weltliches Künstlerfest über.

In der Reformation wurde Fronleichnam zu einem konfessionsscheidenden Merkmal. Luther bezeichnete Fronleichnam 1527 als „allerschädlichstes Jahresfest“. Ihm fehlte die biblische Grundlegung, Prozessionen galten ihm als Gotteslästerung. Das Konzil von Trient (1545–1563) bestätigte das Fronleichnamsfest, das nun einen demonstrativen Akzent bekam: Mit großem Aufgebot und Aufwand zeigten die Katholiken ihren Glauben. Subdiakone, Diakone, Priester, Nonnen, Mönche und Messdiener zogen mit Fahnen, Schellen und Weihrauch, begleitet von den Honoratioren und Erstkommunikanten, Gruppen von Frauen und Männern, geordnet nach Ständen, Verbänden, Bruderschaften und Vereinen. Betend und singend begleiteten sie durch festlich geschmückte Straßen das Allerheiligste. Untergegangen sind fast überall die „lebenden Bilder“, die Teil der Fronleichnamsprozessionen waren: Kain und Abel, der Durchzug durch das rote Meer, Szenenbilder aus dem Alten und Neuen Testament, gingen mit in der Prozession. Der „Drachenstich“ in Fürth im Wald gibt heute noch einen Eindruck damaliger Formenvielfalt. Die Straßenränder waren durch Maien geschmückt, in den Eingängen und Fenstern der Häuser hingen Fahnen und Teppiche. Heiligenfiguren und Kreuze waren durch Blumen Mittelpunkte des häuslichen Schmuckes. Einzelne Orte legten Blumenteppiche, über die das Allerheiligste geführt wurde. Einzelne Orte sind berühmt für ihre Kunstfertigkeit, mit der sie Blumenbilder herstellen: in Deutschland Hüfingen an der Baar, in Italien Genzano di Roma und Bolsena, auf Teneriffa La Orotava. Diesen Brauch scheinen die Franziskaner besonders gefördert zu haben. Von ihnen stammt der Gedanke: Die Armen, die Gott liebt, streuen Blumen, über die Gott wie über einen Teppich schreitet. Besonders prächtig geschmückt waren auch die vier Stationsaltäre, an denen die Prozession anhielt – mobile Altaraufbauten oder Kapellen oder Wegkreuze. Triumphbögen scheinen inzwischen – bis in Mardorf in Hessen – aus der Mode gekommen zu sein. Die Prozession endet mit einem feierlichen Gottesdienst, an dem alle teilnehmen. Übrigens gibt es die Fronleichnamsprozession nicht nur für Fußgänger. Nicht nur am Chiemsee und auf dem Staffelsee bei Murnau und in Köln („Mülheimer Gottestracht“) gibt es Fronleichnam Schiffsprozessionen. Außer Fronleichnam heißt dieser Tag auch: Blutstag, Eucharistia, Festum corporis Christi (dei, sanguinis domini), fête dieu (Frkr.), Gotstag, Gotsleichnamtag, Hergottstag, herrenleichnamstag, Sacramentum, Sakramentstag, Sanguinis Christi, Triumphus corporis Christi, Varleichnam. Der Sonntag nach Fronleichnam heißt Dominica corporis Christi.

In Bayern nannte man Fronleichnam auch ein wenig spitz Hoffarts- oder Prangertag. Die Mädchen bekamen neue weiße Kleider zum „Prangen“ bei der Prozession. Sie schmückten sich mit Kränzen aus segensbringenden Kräutern. War die Prozession beendet, wurden Jungfernnudeln und Jungfernschmarrn (Schmalzgebackenes) serviert, ein Essen, zu dem sich die männliche Jugend, wie die Motten zum Licht, ersehnterweise schnell einfand. Prangerstauden hießen die Sträuße aus Blumen, Blättern und Zweigen an den vier Stationsaltären. Sie kamen nach der Prozession zum Palmbusch in den Herrgottwinkel oder man flocht sie in einen Pranger- oder Antlasskranz, der den Kindern vor einem Altar aufgesetzt wurde. Der Kranz sollte Segen und Gesundheit bewirken.

Eucharistische Frömmigkeit, die Anbetung Gottes in Gestalt der konsekrierten Hostie, geschieht aber auch in Wallfahrtsform jenseits des Fronleichnamsfestes. Der älteste bayerische Hostienwallfahrtsort, Sankt Salvator in Bettbrunn (Gemeinde Kösching im Landkreis Eichstätt), entstand 1125 nach einem Hostienfrevel, wie die zugehörige Legende berichtet. Ein Hirte hatte in diesem Jahr die Osterkommunion nicht beim Empfang konsumiert, sondern mit nach Hause genommen. Aus einem Kuhkolben schnitzte er sich einen Stab, in den er in einer Aushöhlung die Hostie einfügte. Bei einem Gewitter warf er mit diesem Stab nach dem Vieh. Dabei fiel die Hostie aus dem Stab und wurde auf einen Fels geweht, über dem heute der Gnadenaltar steht. Weder der Hirte selbst, noch der herbeigerufene Pfarrer konnten die Hostie vom Felsen ablösen. Dies gelang erst dem hinzugezogenen Bischof, als dieser gelobte hatte, zur Sühne eine Kapelle am Ort des Frevels zu errichten.

Bis zur Kalenderreform 1970 feierte die Kirche am 1. Juli ein Fest des kostbarsten Blutes unseres Herrn Jesus Christi bzw. Pretiosissimi Sanguinis D.N.J.C.. Ursächlich für das alte Fest waren die zahlreichen Heilig-Blut-Reliquien, die es in allen Regionen der katholischen Welt gab. Eingerichtet aber wurde das Fest am 10. August, das „zu den Quellkammern des Opferblutes Christi“ führt, so der Schott, 1849 durch Pius IX. (1846–1878) zum Dank dafür, dass er nach seiner Flucht aus Rom glücklich aus dem Exil von Gaeta zurückgekehrt war. Pius X. (1903–1914) hat es dann auf den 1. Juli gelegt. Heute ist der Festinhalt in das Fronleichnamsfest integriert, das sich deshalb nun Hochfest des Leibes und Blutes Christi nennt.

Der antike Blumenstreubrauch – heutzutage manchmal noch zu Fronleichnam oder bei Hochzeiten zu sehen -, bei dem früher der Boden der Festgemächer zur Ehre der Gäste mit Blumen bestreut wurde, hat sich im kulturellen Gedächtnis bewahrt.